SEVAK ARAMAZD: „ICH ERINNERE MICH NICHT AN MEINE KINDHEIT, ICH LEBE ES“
- Was hilft Ihnen, Schwierigkeiten zu überwinden und voranzukommen?
- Die Freiheit.
- Gibt es etwas, das Sie nicht zu verzeihen bereit sind?
- Man kann unmögliche Sünden verzeihen, kleinste Fehler nicht.
- Was war das schwierigste, das Sie im Leben ertragen mussten?
- Das Leben.
- Mit welcher Lebensphase, mit welchen Ereignissen sind Ihre besten Erinnerungen verbunden?
- Mit der Kindheit. Z.B, als ich acht oder neun Jahre alt war, schickte ich zum ersten Mal ein Gedicht an eine Zeitung und bekam eine Absage. Ich las jedoch immer wieder diesen Brief, weil dort mein Name in „echten Druckbuchstaben“ geschrieben stand. In meinen Augen war die Absage die Bestätigung dafür, dass ich ein Dichter war.
- Was ändert sich Ihrer Meinung nach mit der Zeit? Und was war schon immer und wird immer sein?
- Was sich mit der Zeit ändert, ist die Zeit selbst. Was immer war und sein wird, ist die Dichtung.
- Glauben Sie, dass das, was geschieht, zum größten Teil Schicksal oder unsere eigene Entscheidung ist?
- In einer seiner Tagebuchnotizen sagt Leo Tolstoi: „Gott ist mein Wunsch“.
- Mit was für Menschen bevorzugen Sie es, sich zu umgeben?
- „Meine Freunde sind meine hehren Gedanken“ (Avetik Isahakyan).
- Welche Ihrer Eigenschaften schätzen Sie und welche versuchen Sie, zu überwinden?
- Unabhängigkeit sowohl von Erfolgen als auch von Misserfolgen. Manchmal scheint es mir, dass ich ein Schwächling bin, der nicht dazu in der Lage ist, zu verstehen, was das „Starksein“ bedeutet.
- Was sollte man als erstes den Kindern beibringen?
- Die Muttersprache.
- Erinnern Sie sich an die Träume Ihrer Kindheit? Welche von denen sind in Erfüllung gegangen?
- Die Kindheit ist die einzig wahre Wirklichkeit. Wenn man ein Kind ist, nimmt man die Welt als einen Traum wahr. Im Laufe der Zeit tauschen sie leider ihre Plätze: die Welt wird zur Wirklichkeit und die Kindheit zum Traum. Und die Frage bleibt unbeantwortet.
- Gibt es Dinge, die Sie sofort an ihre Kindheit erinnern und in Ihnen ein nostalgisches Gefühl hervorrufen? Wenn ja, welche?
- Ich erinnere mich nicht an meine Kindheit, ich lebe sie.
- Man sagt, Yerevan ist nicht mehr so, wie es einst war. Was glauben Sie, was hat sich geändert? Die Menschen? Die Atmosphäre?
- Yerevan ist nicht frei. Was nicht frei ist, kann nicht schön sein.
- Womit beginnen Sie gewöhnlich Ihren Tag?
- Ich wundere mich, dass der Tag jedes Mal mit mir beginnt.
- Ist es wahr, dass die Künstler empfindsamer und aufnahmefähiger sind als die anderen Menschen?
- Ich glaube, eher nicht.
- Wann haben Sie Ihr erstes Werk geschrieben?
- Als ich die armenischen Buchstaben gelernt habe.
- Was ist die erste Quelle Ihrer Eingebung?
- Die Verwunderung.
- Inwieweit hängen Anerkennung und Talent in unserer Zeit zusammen?
- Talent ist der Baum, die Anerkennung das Rauschen des Baumes.
- Was denken Sie, ändern Ruhm und Geld den Menschen zum Schlechten?
- Beides ist nur Trug, der sich im Leben in Betrug verwandelt.
- Wann fühlen Sie sich wirklich glücklich?
- Wenn ich vergesse, dass es Glück und Unglück auf der Welt gibt.
- Was haben Sie bereut: etwas, was Sie getan haben, oder etwas, was Sie nicht vollenden oder zum Ausdruck bringen konnten?
- Die Reue entspringt dem Gefühl der Unmöglichkeit, im Nachhinein das Geschehene zu berichtigen. Es wäre wünschenswert, nicht zu bereuen, sondern zu erkennen, was zu bereuen wert ist.
- Wofür sind Sie dem Schicksal dankbar?
- Für mein Schicksal.
Andere Interviews
Schöpferischer Prozess: Der Literaturwissenschaftler HOVHANNES AYVAZYAN interviewt SEVAK ARAMAZD.
Aus dem Armenischen übersetzt vom Autor
(Die armenische Originalfassung: http://granish.org/sevak-aramazd-harcazruc)
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